nach William Shakespeare
I
1 (122–133)
- Montague
-
Er wurd an manchen morgen dort gesehen,
wie tränen er zum tau gegeben hat,
und wolken zu den wolken hingeseufzt.
Doch wenn dann früh die all-erfreunde sonne
im fernen osten von Auroras bett
den schattenvorhang wegzuziehn beginnt,
so flieht mein armer sohn vor ihrem licht,
schließt sich allein in seinem zimmer ein,
schließt seine fenster, schließt das taglicht aus,
und schafft so künstlich eine nacht für sich.
Unheil wird diese dunkle stimmung bringen,
weiß keiner ihre gründe zu bezwingen.
2 (45–50)
- Benvolio
-
Nein, freund, ein feuer brennt ein andres nieder,
schmerz wird geschwächt durch eines andern leiden,
bei schwindel hilf durch rückwärts-drehn dir wieder,
verzweiflung kann ein neuer schmerz beschneiden.
Entzünde neu dein auge, dann vergeht
der alten krankheit scharfes gift-sekret.
4 (19–52)
- Romeo
-
Ich bin zu tief von ihrem pfeil durchbohrt,
um leicht wie sie zu fliegen, so gebunden:
kann meine traurigkeit nicht überspringen,
versinke durch der liebe schwere last. - Mercutio
-
Doch, wenn du sinkst, belastest du die liebe,
das ist zu schwer für solch ein zartes ding. - Romeo
-
Ist liebe zart? Sie ist zu rau, zu grob,
zu stürmisch, und sie sticht wie dorngezweig. - Mercutio
-
Wenn sie dich leiden lässt, lass du sie leiden,
stich, wenn sie sticht, zurück, so schlägst du sie. […] - Romeo
- Ich habe heute nacht geträumt.
- Mercutio
- Ich auch.
- Romeo
- Was war dein traum?
- Mercutio
- Dass träumende oft lügen.
- Romeo
- Sie liegen, schlafen, träumen aber wahres.
II
5 (4–8)
- Julia
-
Gedanken sollten liebesboten sein,
die zehnmal schneller sind als sonnenstrahlen,
und schatten über dunkle hügel scheuchen:
Deshalb fliegt liebe mit den botentauben,
und deshalb hat der flinke Amor flügel.