Berufung
Er weiß nicht mehr, was ihn durchzieht:
nicht wohlverdiente Scham.
Statt dessen: Stolz, der dreist erblüht
auf Verse schlecht und arm.
Doch wie das Rad des Lebens rollte
– das Sprichwort ist bekannt –,
kam’s dass er sie auch drucken wollte:
Gedichte, B. Brandt.
Denn Kriegsromantik, unverhohlen
klischeehaft, schrieb er eben, –
auf ausgetretnen Stiefelsohlen
tanzt man doch nie daneben!
Gebrochne Herzen, stiller Graus –
das muss doch jeder fühlen!
Das Phrasen-Büchlein schnell heraus
und wilder weiterwühlen!
Doch bald belachten alle Brüder
die Verse, schnell verklungen.
Verzweifelt sucht der Reimer wieder
nach einem Reim auf -ungen.
Vermocht er’s nicht, an alten, tiefen
Gedichten sich zu laben?
Musst er denn wirklich all die schiefen
Bilder erneut ergraben?
Er schimpft: Hat nicht allein das Rechte
zum Dichter mich beschaffen?
Nein, nein, das Zeugnis deiner Mächte
macht dich allein zum – Reimer.
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Benedikt Brandt Einberufung
Er weiß nicht mehr, wodurch’s ihn zieht
Die wohlgerat’ne Scham
War seinem Stolz, der feist erblüht
Ein Schoß, galant und warm.
Doch wie‘s der Lauf des Lebens wollte
Umspült ihn fremdes Land
Was sich einst klar, vertraut entrollte:
Vergrab’nes Gold, eiserner Sand.
Die Pflicht der Front ward unverhohlen
Ihm in der Früh‘ gegeben
Abends dann beschwingt befohlen:
„Kamerad, auf unser Leben!“
Gebroch’ne Herzen, stiller Graus
Ein jeder muss es fühlen
So bricht’s aus ihnen derb heraus
In Kampf und groben Spielen.
Und bald beweinten alle Brüder
Der fernen Mädchen Zungen
Drum zügeln nachts die munt‘ren Lieder
Des Mannes starke Lungen.
Vermocht‘ er’s nicht, an alten Tiefen
Bei Tage sich zu laben?
Die Liebste hat in knappen Briefen
Ein Leidenstal gegraben.
Schimpft‘ er den Tag: „Wann kam das Rechte,
Die Worte neu zu schaffen?“
Hat sie dem Dürsten seiner Mächte
Nicht eine Quell‘ gelassen.