An die deutsche Sprache

nach Ossip Mandelstam, К немецкой речи
Freund! Versäume nicht zu leben:
Denn die Jahre fliehn,
Und es wird der Saft der Reben
Uns nicht lange glühn!
Ewald Christian Kleist
Zum eignen untergang, mir widersprechend,
wie eine motte fliegt in mittnachts-flammen,
möcht ich hinaus aus unsrer sprache brechen,
für alles, was ich ewig ihr verdanke.
Dies zwischen uns: lob ohne schmeicheleien,
und freundschaft, dauernd und unpharisäisch, –
denn ernst und ehre lernen ja wir beiden
erst bei verwandten, fremd, westeuropäisch.
O poesie, dir nützen die gewitter!
Es war einmal ein offizier, ein deutscher,
der rosen trug gerankt am degengriffe,
und Ceres war in seiner lippen feuer …
Es gähnten da in Frankfurt noch die ahnen,
von Goethe sprach man noch in keiner weise,
man komponierte hymnen, pferde sprangen
kunstvoll an ort und stelle, lettern gleichend.
Welches Walhalla – sagt mir, liebe freunde –
war um uns alle, als wir nüsse knackten,
und welche freiheit war damals die eure,
welche die marken, die mir abgesteckten?
Von blättern eines almanachs, gerade
von seiner neuheit erstklassigem scheine,
liefen wir furchtlos, stufenweis zu grabe,
wie kellerwärts für krug und moselweine.
Die fremde sprache wird mir eine hülle,
und früher, eh ich zur geburt mich traute,
da war ich letter, war ich weinstockzeile,
war ich das buch, das euch erscheint im traume.
Als ich noch schlief, gesichtslos, unentwickelt,
wurd ich geweckt von freundschaft, wie vom schusse.
Gott Nachtigall, gib mir Pylades’ schicksal,
sonst reiß mir aus (ich brauch sie nicht) die zunge.
Gott Nachtigall, wie sie schon um mich werben
für neue pesten, sieben jahre schlachten!
Der laut ward eng, wort-zischen, aufbegehren,
doch du, du lebst, und ich mit dir, gelassen.