Mein Garten
[…]Hugo von Hofmannsthal Mein GartenSchön ist mein Garten mit den goldnen Bäumen,
Den Blättern, die mit Silbersäuseln zittern,
Dem Diamantentau, den Wappengittern,
Dem Klang des Gong, bei dem die Löwen träumen,
Die ehernen, und den Topasmäandern
Und der Voliere, wo die Reiher blinken,
Die niemals aus dem Silberbrunnen trinken...
So schön, ich sehn mich kaum nach jenem andern,
Dem andern Garten, wo ich früher war.
Ich weiß nicht wo ... Ich rieche nur den Tau,
Den Tau, der früh an meinen Haaren hing,
Den Duft der Erde weiß ich, feucht und lau,
Wenn ich die weichen Beeren suchen ging...
In jenem Garten, wo ich früher war...
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Den blättern, die mit silbersäuseln zittern,
entreißt mich jeder morgen, wenn er tälern
von frost entsteigt. Mit sonnenfingern stählern
begleitet er den auftakt auf den zithern
betauter spinnennetze, seiden-saiten,
von nacht gespannt und staubkornweisen schritten
und hundertaugenblick (vollmond inmitten)
der architekten, die durch stille gleiten.
So nimmt mich morgen fort und weckt die bittern
kelche der blüten mir zum trank. – Ich kenn
den garten kaum, drin sonnen-aufgang wohnt.
Allmählich klopft er an um einlass, wenn
ich aufschau zu dem blass-im-blauen mond,
dem diamantentau, den wappengittern.
was dir der himmel schenkt, ist schweigenJan Wagner
in dichten flocken – die größere stickerei.
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Dem klang des gong, bei dem die löwen träumen,
folgt stille (wie dem schritt auf treppenstufen,
bevor der nächste einschlägt), wachgerufen
zum aufstieg steh ich tief im weiß, in räumen
aus schnee, darauf: das schwarze dach und drohen
der wolken, die ihr weiß dem boden liehen.
Ich steige drauf – doch weg und farben fliehen,
wie schon die sterne aus dem himmel flohen.
So folge ich den krummen, durcheinandern
wegweiser-ästen tiefer in den wald.
(Und unter mir ist sicherlich der pfad?)
Darüber liegt der winter mit gewalt:
Die wolken geben raum der sternensaat,
(die ehernen) und den topasmäandern.
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Und der voliere, wo die reiher blinken,
verdanke ich den letzten sommer, seine
blitze im wasser, blitze durch das reine
gewitterwerden seiner tage (schminken
sie sich mit laub, das kommt von frühlings-pinseln,
das dann des herbstes wolken-wattebäusche
fortnehmen?) – sind wir eines der geräusche,
das mit dem winter stumm wird, nur auf inseln
im süden vogelstimmengleich (ein sinken
des nordpolsterns am horizont) gehört wird?
Wie wind und gischt sich reiben an den kronen –
wie geister, die man mitternachts beschwört, wird
der garten dann noch in den träumen wohnen,
die niemals aus dem silberbrunnen trinken?
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So schön, ich sehn mich kaum nach jenem andern,
der flammte, eh du da warst, nach dem sommer,
der nicht den Rhein zu uns hinaufschwamm. Glomm er
schon als er Nahe war? Wie wenn wir sand wärn:
leicht hat er in uns beide seine saaten
gesenkt, versengt das dickicht, dessen schatten
nichts wachsen ließ. (Das wissen wir: wir hatten
da keine wahl.) In unsre tage traten
zahllos die gärten ein – wie am altar
die kerzen lohte abend an den birken
und morgen lief durch tau und ufergras.
Es wächst uns zu. Und bald wie wände wirken
die halme, gleichen (wie ich bei dir las)
dem andern garten, wo ich früher war.
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Ich weiß nicht wo … ich rieche nur den tau,
den jeder morgen um uns weint. (Er weiß
nicht, dass ich jetzt ein andrer bin.) Wie eis
scheint mir das vorjahr nun, und aus dem blau
gefrorner seen ist der blaue kern
von flammen – dieses himmels-, tag-azur –
geworden, ich zur unsichtbaren spur:
septemberspinnenfaden, wandelstern.
Zu leicht bin ich geworden. Trag den ring
nicht mehr, der mich zu tropfenfluss am glas
verdichtete. Mich breitete dein winter
weiß übers land, und schwer. – Erst seit ich gas
bin schau ich ganz durch dich hindurch und hinter
den tau, der früh an meinen haaren hing.
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Den duft der erde weiß ich feucht und lau
zu nennen wie dein blick, den duft des regens
fremd wie dein haar, die lagerglut rot gegens
nachtdunkel wie dein kuss, und leuchtendgrau
den himmel wie dein kleid von silberstoff.
Und jeden abend lege ich die garten-
umarmungen um mich, darin erstarrten:
die trauer, die von deinen silben troff,
dein sturmwind, der sich in den buchen fing,
mein abschied, der den abend angezündet,
den glanz des gartentores, das sich schloss,
an dem jetzt deine welt in meine mündet.
Im traum seh ich dich noch, der nach mir schoss,
wenn ich die weichen beeren suchen ging…
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In jenem garten, wo ich früher war,
schritten die sommer stolz einher und ließen
nur warme erde und kein halmesprießen.
Die fußabdrücke braun und glühend-bar
von blüten. Jedes frühjahr spann sein moos
darüber, ganz als wusst’ es von den wäldern
des hügels früher. – Dann entstieg den feldern
des tals der nebel, vollmond sonnengroß
und nahm mich mit, befahl, ich sollte träumen:
von dir, und wie der sommer seine schuld
einlöst mit garten-grünen glanzes-tagen.
Ein blinzeln, und das alles war. Geduld –
und ich sah träume in die tage ragen:
Schön ist mein garten mit den goldnen bäumen.