An den Schulordner

O weiß ummantelt liegest du, stück karton,
nun vor mir, aufgeschlagener ordner! Trägst
noch immer all die unterlagen,
die ich darin, und den locher, heft’te.

Du liegst unschuldig atmend und hingestreckt,
wo ich dich einst den nächten geliehn. Du hast
mein ganzes volles aktenleben
treu durch die schröckende nacht geleitet

und deren schatten. Ordner, was sahest du?
Die sonne aufgehn, folgend der sterne pracht?
Und wieder sterben ihres laufs um
nächtlich von schatten durchflut’te räume?

Wes geister, weißer, weckten vom schlaf dich auf?
Wes schatten schröckt’, geliebtester ordner, dich,
als du in deinem süßen schlafe
schwebend die tage und nächt durchschwammest?

Du wärest, hätte nicht dich mein aug erblickt,
für immer dort verblieben, o wichtigster
besitz, den ich fürs hehre abi
dringlichst von allen den dingen brauchte!

Erwachend, liebster, schautest im morgenlicht
du hell mich anglühnd an, und der freude glanz
durchströmt’ herbrausend auf den goldnen
fittigen mein dich beschaundes auge!


Von Abend und August: 2
Deine Spuren
Klage – aber Jubel: 1