Dunkles Holz

Stoffhunde, Gläser, Rauch von Cigaretten
Und Masken, Masken hinter Masken, alle
Vertauschbar, lachend, Puppen auf den Betten
Sind echter, Katzen mit metallner Kralle

Zerkratzen das Idyll, da hilft nur Wein,
Manchmal auch bunte Bilder, austauschbar,
Heut dies und morgen das – was gestern war,
Zerfließt – nur Masken, wechselnd, und kein Sein.

Nimm alle Masken weg – was bleibt von ihr?
Nur Rollen, keine Spielerin, zur Zier
Zuweilen Ringe, Schminke aufgeweicht,

Nichts Festes, keine Spur des Angesichts,
Nur Masken, Masken hinter Masken, leicht
Vertauschbar, lachend – Masken und sonst nichts.

Rolf Schilling Masken
Tapeten bunt: so blüht’s in deiner Stube.
Johannes R. Becher

1

Stoffhunde. Gläser. Rauch von zigaretten
um polster, deckchen, blasse blumenmuster.
Vergilbtes licht. Ein lampenschirm an ketten.
Und alter weinbrand, in dem sich die lust er-

tränkt hat vor ein paar jahren. Dunkles holz –
die würmer sind schon tot darin. Ein bild,
das jemand mal gemalt hat. Und ein schild
aus blech für zwanzig jahre treue. Solls

denn anders sein? Es war doch immer gut.
Und besser wirds nicht mehr. Du schaust der glut
im aschenbecher zu. Im radio

das neuste lied, zehn jahre alt. Ich lalle
kurz mit. So sind die dinge. Alle so.
Und masken, masken hinter masken, alle.

[…]
will schlafen hier im braunen Holz,
all, was geschehen ist, geschah ...
Josef Weinheber

3

Vertauschbar, lachend, puppen auf den betten.
Die kinder sind jetzt irgendwo. Die poster
reißen sich bald von selber ab. Zu retten
ist nicht mehr viel. Wie gestern, als der toaster

das brot verbrannt hat. Schwärzer als der kaffee,
ein bisschen bitterer. Naja, was solls.
Wir sitzen auf der eckbank. Dunkles holz,
drei tage altes wasser. Die karaffe

ist trüb geworden seit dem letzten fest
im garten. Lang nicht mehr gemäht. Der rest
braucht nicht gesagt zu werden, nur: Die klinge

ist stumpf geworden, das benzin ist alle.
Drinnen ist auch schön. Und die deko-dinge
sind echter: katzen mit metallner kralle.

[…]
Schöner Abend,
noch ein Rest in der Flasche.
Jürgen Becker

5

– Zerkratzen das idyll. Da hilft nur wein
bei diesem lärm da draußen. Branntwein. Hält
sich länger. Schütt mir auch ein bisschen ein.
Wo hast du denn die flasche hingestellt?

Neben das bett vielleicht. Ist leer? Ein schluck noch
(am sonntagmittag) und der eine laden
im nachbarort hat zu. Was jetzt? Ein faden
hängt lose von der tischdecke. Du, guck doch,

was draußen los ist. Hört von selber auf.
Wir warten. Draußen weiter: rufen, lauf
auf warmem teer und fremde kindernamen,

der hof voll kreide. Weiß noch, wie das war:
immer zu laut. Ich weiß noch: wir bekamen
manchmal auch bunte bilder, austauschbar.

[…]

7

Heut dies und morgen das – was gestern war,
war so wie heute. Uhren und kalender –
ein stehenbleiben nach dem andern. Jahr
um jahr bewegt sich weniger. Die bänder

mit sirup an den fenstern hängen, fangen
flecken und fliegen. Muster, ungetüme.
Im schrank zerfallen karnevalskostüme:
piraten-, bienenhüte. Kein verlangen

sie wegzutun. Ich schau dir zu beim kauen:
ein jeder bissen vierzigmal. Die blauen
linien verschwimmen auf den tellern. Nicht

zum ersten mal. Und du füllst eintopf ein,
vom letzten winter noch. Muss weg. Die sicht
zerfließt – nur masken, wechselnd, und kein sein.

[…]

9

Zuweilen ringe. Schminke aufgeweicht.
Das bisschen schmuck, das damals vor fünf jahren
die einbrecher nicht wollten. Hat gereicht,
das alles. Als wir neulich draußen waren,

das hat sich nicht gelohnt. Das wasser tropft,
die wanduhr tickt. Manchmal zur gleichen zeit,
wenn draußen einer seinen teppich klopft.
Wir tun das nicht. Es kommt ja keiner. Seit

wann, weiß ich nicht. Du auch nicht. Wieder spielt
das radio das neuste lied, befiehlt:
Singt mit. Wir tun das nicht. Was gibt es morgen?

Dasselbe wie heut mittag. Schau ins nichts.
Wie schön. Du nickst. Wie schön: nichts zu besorgen.
Nichts festes, keine spur des angesichts.

[…]

11

Nimm alle masken weg – was bleibt von ihr?
Ein schiefes sofa, alt und eingesessen.
Im keller leere kästen dunkles bier.
Die brauerei hat zugemacht. Vergessen:

kompott (von deiner mutter), anderthalb
staubsauger, graue büschel hundehaar,
spinnweben vor der tür der kellerbar.
Und oben fehlen – weiß nicht mehr weshalb –

zwei kacheln aus dem fliesentisch. Naja.
Die fernbedienung geht nicht mehr. Von nah
versucht? Sie klebt. Dann heute nicht. Die drei

kanäle – nicht mehr was es war. Ab vier
zu zählen aufgehört. Naja. Wir zwei
nur rollen, keine spielerin zur zier.

[…]

13

Nur masken, masken hinter masken, leicht
dunkler geworden ist das dunkle holz.
Ah, abend. Blick zum brettspielschrank. Vielleicht
was spielen? Nein. Wie jeden tag. Was soll’s.

Die nachbarn grillen. Mach das fenster zu,
sonst zieht das rein. Im garten unser grill
(rost durchgerostet) an der hauswand. Will
bald auseinanderfallen. Sag mal, du –

Was ist? Ach nichts. Noch eine zigarette,
die vorletzte im letzten päckchen. Wette,
solange geht das alles nicht mehr. Fliegen,

dick, dumm und ganz im bann des deckenlichts
seit tagen, da wo die stoffhunde liegen
vertauschbar, lachend – masken und sonst nichts.

[…]
Mein Garten: 2
Fast schweigend: 1
Klage – aber Jubel: 1